Natalie Ricklis Burnout: Wieviel arbeitet ein Nationalrat?
Das Burnout von Natalie Rickli hat dazu geführt, dass die Arbeitsbelastung der ParlamentarierInnen plötzlich in der Aufmerksamkeit der Medien ist. Hier veröffentliche ich mal einen ungefähren Ueberblick über meine Zeitaufwendungen. Ich komme auf eine Wochenarbeitszeit von gut 29 Stunden… and counting.
Nach der ersten Session und den ersten Kommissionssitzungen im Januar 2012 war für mich klar: Meine Tage waren zu kurz… Ich wollte mir deshalb einen Überblick über meine Zeitaufwendungen als Nationalrat verschaffen. Dazu habe ich seither die Zeiten im Tool mite erfasst.
Was fehlt in der Aufstellung?
Selbstverständlich sind unzählige kurze Telefonate, Emails, die man einfach so im Laufe des Tages schreibt und beantwortet etc. nicht erfasst – das wäre sonst zu aufwändig. Ebenso habe ich keine Reisezeiten erfasst, auch wenn diese wesentlich mit zur Belastung beitragen. Wenn ich mich während einer Zugfahrt auf eine Sitzung vorberereite, ist dies als Sitzungsvorbereitung erfasst, wenn ich nix mache, ein Buch lese oder private Mails beantworte, dann erscheint dies nicht in dieser Übersicht.
Ebenfalls nicht in der Übersicht erscheinen zeitliche Engagements im Rahmen der Parteiarbeit, falls ich die entsprechenden Veranstaltungen, Sitzungen etc. auch früher schon besucht hätte. D.h. der Besuch einer Vorstandssitzung der Grünen Kreis 7/8 wird nicht als “Sitzung” gebucht, genauso wenig wie die Anwesenheit an einer Mitgliederversammlung der Grünen Kanton Zürich als “Öffentlichkeitsauftritt” erscheint – auch wenn die Anwesenheit durchaus viel eher erwartet wird. Auch mein Engagement im Rahmen des Mieterverbandes, das Präsidium von onegov.ch, mein Vorstandsamt bei SPAZ und Gratis-Kampagnenarbeit für die Grünen (z.B. 43 Stunden für die Kampagne 2xNEIN zur Bürgerrechtsverschärfung im Kanton Zürich) sind nicht in dieser Aufstellung enthalten.
Auffällig ist, dass die reine Vorbereitungszeit rel. kurz erscheint. Einerseits erfolgte ein Teil meiner Vorbereitungen von Sitzungen mit anderen zusammen – und ist darum ebenfalls als “Sitzung” erfasst. Andererseits erwarte ich, dass die Vorbereitungsarbeit (speziell für die Staatspolitische Kommission) künftig wesentlch mehr Zeit als bisher in Anspruch nehmen wird. Bei der Behandlung des Asylgesetzes konnte ich nämlich auf ein umfassendes Vorwissen und bereits vorhandene Unterlagen aus meinem siebenjährigen Engagement als Geschäftsführer von Solidarité sans frontières zurückgreifen.
Das Fazit
Für die vergangenen siebeneinhalb Monate (resp. gut 32 Wochen)ergibt sich folgendes Bild:
Wenn man von fünf Wochen Ferien ausgeht (entsprechend wären bei den gut 32 erfassten Wochen gut 3 Ferienwochen fällig), dann ergibt sich daraus eine durchschnittliche wöchentliche Belastung von über 29 Stunden.
p.s.: Die Stunde, welche die Zusammenstellung und das Erfassen dieses Beitrags benötigte, ist hier noch nicht mit dabei ;-)
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Und wie beurteilst du diese Zahl – ist das viel Arbeit oder wenig?
Lustig, ich lasse solche Tools auch immer mitlaufen, ist erstaunlich, wie sich das läppert.
Du sagst, dass Du in Zukunft mit einem höheren Zeitaufwand rein für die Parlamentsarbeit rechnest. Kann ich nachvollziehen; mein alter Gymilehrer-Nationalrat sprach von „rund 30-35h die Woche während der Session“, entsprechend oft vergab er da dann Hausarbeiten und war auch zwischen den Sessionen am Rennen. Die heutigen Ansprüche und (Zeit-)Aufwendungen, besonders an Meetings, dürften seit den 90er Jahren gestiegen sein.
Ich hatte bei dem Thema jetzt nicht einmal so sehr an Frau Rickli als an Herrn Mörgelis 80% bei der Uni Zürich gedacht. In allen Fällen – auch in Deinem – stellt sich so oder so die Frage: Ist ein Milizparlament überhaupt realistisch? So schön und sinnvoll ich die Idee dahinter finde, so sehr frage ich mich, wie das mit der heutigen politischen und arbeitsmarkttechnischen Realität vereinbar sein soll. Die Bundesversammlung wird ja nicht nach zwei Jahren kollektiv entlassen. Man kann also nicht wie beim Zivildienst sagen, das ist halt sein Mehr-Beitrag für die Gesellschaft: das muss sowohl sein Arbeitgeber als auch seine Familie schlucken. Manche Parlamentarier sind seit Jahrzehnten in Bern.
Mich würde interessieren, wie Du hier die Tendenz oder eine vernünftige Vereinbarkeit siehst. Parlamentsarbeit = Hobby während des Vollzeitjobs? Parlamentsarbeit nur mit Teilzeitjob vereinbar? Müssten Parlamentarier entsprechend jetzt für etwaige Erwerbsausfälle nach ihrer politischen Zeit entschädigt werden, wenn sie wieder in den primären Arbeitsmarkt möchten – daher die vergleichsweise hohen Vergütungen?
Oder zeigt der Trend in Richtung „Berufspolitiker“? Weil sonst die immer komplexer-werdenden Vorlagen nicht vernünftig bearbeitet werden könnten, ohne dass entweder die Parlaments- oder die Erwerbsarbeit darunter leidet?
Lieber Philippe
jedenfalls zu viel um ohne Dauerüberlastung noch einen normalen Job nebendran machen zu können. Ausser man fehlt dann halt auch in der Session. Viel ist es v.a. wenn man in Betracht zieht, dass ja auch noch (zu Recht) Engagement und Präsenz bei der Partei erwartet wird – diese Zeit habe ich hier nicht eingerechnet.
Allerdings bin ich immer noch skeptisch gegenüber der Idee eines Berufsparlaments und sähe eher Entlastungsmöglichkeiten im Bereich pers. Mitarbeitende, vgl. die Antwort an Sascha.
Ich selbst habe auf jeden Fall meinen 50% Job gekündigt – der Arbeitgeber wäre zwar durchaus flexibel gewesen. Aber die Arbeit selbst war es nicht ;-)
Vermutlich kommt es extrem auf die Funktionen im Job an, ob die Kompatibilität gut oder schlecht ist. Je selbstbestimmter / projektartiger die Arbeit ist, desto eher kann man sie gut zwischen die Sessionen legen.
Meine Vorstellung allerdings wäre dennoch nicht der Berufspolitiker resp. die Berufspolitikerin als Wunschbild. Vielmehr überlege ich mir, ob im Bereich der persönlichen Assistenz nicht eine Verbesserung möglich wäre. Momentan nutze ich das entsprechende Geld auch für eine pers. Assistenz (vgl. meine transparenten Auskünfte zur Finanzsituation). Allerdings kommen dann je nach Situation noch Ausgaben zu Informatik, Arbeitsplatz etc. dazu die ich mit dem momentanen Arrangement nicht bezahlen musste. Sinnvoller wäre es, wenn jedeR NR die Möglichkeit hätte, z.B. eineN MitarbeiterIn zu 50% für einen fixen Lohn anzustellen und Zugriff für einen zweckbestimmten Kredit für Arbeitsplatzmiete und Informatik hätte. D.h. die verschiedenen Mitarbeitenden hätten alle die gleichen Bedingungen und nur wer das Angebot auch wirklich nutzt, würde die entsprechenden Kosten verursachen.
Lieber Herr Glättli
Bitte legen sie doch noch offen wieviel sie aus diesem “70%-Job” (wenn sie mit nicht mal einer 42h-Woche rechnen!) einnehmen (mit Extravergütungen für Sitzungen etc.) und vergleichen sie es mit einem durchschnittlich bezahlten 70%-Job. Fällt ihnen etwas auf?
Lieber Gruss
Mario Zurfluh
Lieber Herr Zurfluh
nehmen Sie sich bitte die minimale Mühe, auf meiner Homepage den Bereich “Über mich” anzuklicken. Dort finden Sie diese Angaben im Untermenu Finanztransparenz schon lange.
beste Grüsse
Balthasar Glättli